...eine Geschichte, die ganz viel, aber auch wiederum ganz wenig mit Erfenbach zu tun hat.... Auf den Fotos ist nichts von Erfenbach zu sehen, aber derjenige, der diese Fotos gemacht hat oder darauf zu sehen ist, war ein Erfenbacher...


Es ist die Geschichte vom Onkel meines Vaters, Herrn Hermann Gehm, geboren 1908. Ich kannte ihn so, wie man als Jugendlicher und Heranwachsender einen weitläufigen Verwandten der Eltern kennt...als „Onkel Hermann“. Er war für mich ein älterer Mann, den man immer mal wieder an Geburtstagen, Familienfeierlichkeiten oder beim Besuch bei uns zu Hause angetroffen hat. Ich habe ihn als ruhigen, bescheidenen Mann, der gerne zuhörte, in Erinnerung, was ihn mir sehr sympathisch machte. 1995 starb dann „Onkel Hermann“ im Alter von 87 Jahren. Seine Frau Hildegard überlebte ihn noch um 8 Jahre. Da vorher auch schon der einzigste Sohn gestorben war, lag es an meinem Vater und einer Cousine von ihm, die der Familie am nächsten standen, den Nachlass zu regeln. Das Haus sollte verkauft werden und es fand sich auch schnell ein Käufer. Aber das Haus musste ja noch leer geräumt werden. Alles was der neue Besitzer und auch sonst niemand wollte, brachten wir in den Hof zum Sperrmüll. Jeder nahm sich noch eine kleine persönliche Erinnerung an die „Gehm´s“ mit. Mein Vater, ja selbst begeisterter Fotograf, nahm sich ein kleines Kästchen mit losen Fotos und das einzigste Fotoalbum, das vorhanden war.


Dies alles verschwand bei ihm zu Hause erst einmal im Schrank. Einige Zeit später kam ich zu meinen Eltern in die Wohnung und sah, dass sie das Kästchen mit den Fotos und das Album auf dem Tisch liegen hatten und die Fotos aus dem Kästchen studierten. Interessiert setzte ich mich zu ihnen und fand die Namen und Geschichten, die sie zu den Fotos zu erzählen wussten, gleich spannend.


Nach dem Kästchen kam das Album an die Reihe und dann kam eine Überraschung, die ich so nie erwartet hätte. Es war ein Album mit Fotos über den Beruf, den „Onkel Hermann“ zwischen 1931 und 1938 ausgeübt hatte. Aber es war nicht einfach nur ein Beruf im üblichen Sinne... er war beim Circus Hagenbeck aus Hamburg als Maler und Kraftfahrer angestellt und hat mit diesem Zirkus die ganze Welt bereist, von Japan über China, von Ägypten über Südamerika, in einer Zeit, in der man selten über den Heimatort hinauskam ...„Onkel Hermann“, dieser stille bescheidene Mann...wenn ich viel erwartet hätte, dies aber nicht. Erst 1938, als ihm seine Hildegard das Ja-Wort gab, wurde er sesshaft, wenn sie nein gesagt hätte, wäre er wieder zum Circus zurück... Vielleicht für immer?


Ich war so fasziniert von diesem Album, in dem auch noch viele weitere Unterlagen zu finden waren... Arbeitszeugnisse, Reisepässe, Verträge, Briefe und vieles mehr... Mir wurde klar, dass ich hier etwas ganz besonders wertvolles in den Händen hielt, wusste aber nicht wie ich dieses „Besondere“ würdigen sollte. Erst jetzt, mit der Idee zu dieser Website wurde mir schlagartig klar, was damit zu tun ist...


....alles, was von einem Leben übrig blieb, passte in dieses kleine Kästchen und das abgegriffene Album... Aber dort sollte es nicht bleiben... dieses ausergewöhnliche Leben...deshalb diese Seite „Ein Leben“ gewidmet „Hermann Gehm“

1925 hatte er seine Lehre als Maler und Lackierer abgeschlossen

Wie aus dem Arbeitsbuch zu entnehmen ist, wurde er am 18.01.1933 als Maler beim Circus Hagenbeck in Altona-Stellingen angestellt, wo er bis zum 28.07.1938 beschäftigt war. Damit begann sein „neues“ Leben...

In einer kleinen Kladde hat er die ganzen Stationen, in denen der Circus gastierte, aufgeschrieben.


Hier das ganze in Länder zusammengefasst:



Aber jetzt die Fotos dazu, beginnend im Jahre 1931 bei der Tournee durch Deutschland, Österreich, Tschechoslowakei und Schweiz:

Die Arbeitsverträge wurden je nach Aufenthaltsland in Landeswährung abgeschlossen.

...noch dickster Winter in Oberhof Thüringen

...Juni in Wien, Pause beim Aufbau... Da war noch alles in Ordnung...

...dann kam der Sturm

...Zeppelin über Klagenfurt, Juli 1931

...auf dem Weg nach Villach, Juli 1931

...auf dem Weg nach Insbruck, Juli 1931

1933 ging es das erste Mal nach Übersee...

...witziger Weise für den „Pälzer“ mit derm Dampfer „Saarland“ Vom 18. Januar bis 2. Februar!! wurde verladen

...an Deck..

...Mannschafts- schlafraum...

...aber ein Schwimmbad gab es auch.....

...am 3. Februar war Abfahrt in Hamburg, am 15. März erreichte man Hongkong, für heute ein unvorstellbarer Zeitraum... Außer man ist auf Kreuzfahrt...

Eintrag in seine Notizen: Proviant und Kohle übernommen, Abfahrt nach Japan 16. März 18.00 Uhr

...Auftakt war in Tokio

...weiter ging es nach  Nagoya ...

...Schönheit aus dem Teehaus...

...eigene Visitenkarte aus Bambusholz...

...japanische Geishas ...

...Flugblatt auf japanisch ...

...Tokio bei Nacht, alte Karten aus Japan ...

...dann erwischte am 4. September in Fukuoka ein Taifun den Zirkus und vernichtete ihn ...

...trotzdem ging die Tournee weiter, der Zirkus wurde wieder neu aufgebaut und es ging mit dem Dampfer „Duisburg“ Anfang Oktober nach Shanghai ...

...Dort wurde wieder auf die „Saarland“ gewechselt und Mitte Oktober erreichte man dann Singapur, um Proviant und Kohle zu übernehmen und wo wohl auch ein Landgang statt fand, wie man hier an dieser Landschaftsaufnahme sieht.

Von dort ging es nach Indien, wo von Dezember 1933 bis Ende Februar 1934 eine Tournee stattfand, Städte waren Kalkutta und Bombay... Notiz aus der Kladde: 15.Januar 1934 schweres Erdbeben in Kalkutta... Hier einige Impressionen aus Indien...

...Rikschafahrt...

...Straßenszenen...

..Yogi...

...Schlafzelt...

...Totenverbrennung auf offener Straße...

...am 25. Februar 1934 ging es dann mit dem Dampfschiff „Karnak“ in Richtung Ägypten...

...Verladung...

...am 6. März wurde dann Port Said erreicht, wo der Zirkus auf die Bahn verladen wurde...

...Schlafraum Karnak...

...die Tournee ging von Anfang März bis Anfang Mai. Stationen waren Kairo und Alexandria, hier wieder die Impressionen aus Ägypten...

...auf den Pyramiden...

...Tee- und Wasserträger...

...ägyptische Schönheiten...

...am 4. Mai 1934 ging es dann mit der „Karnak“ weiter Richtung Spanien, um am 10. Mai Barcelona zu erreichen, hier die Fotos...

...die Fütterung der Raubtiere wird vorbereitet...

...die Spanientournee ging vom 12. Mai bis zum 27. November 1934, dann wurde die Rückreise mit dem Dampfer „Rapot“ nach Hamburg angetreten..

...am 2. Dezember wurde Hamburg erreicht.

1935 und 1936 fand dann eine ausgiebige Deutschlandtournee statt...

...dazu gibt es leider wenige Aufnahmen, hier Juni 1935 in Freital...

...Mai 1936 in Wuppertal...

...Juli 1936 in Hamburg, wo gerade der Weltkongress stattfand...

...und August1936 in Berlin zur Olympiade...

...dann ging es wieder nach Übersee, dieses Mal nach Südamerika. Anfang November 1936 wurde auf die „Paraguay“ verladen, das Personal fuhr mit der „Vigo“ und am 8. November ging die Reise los...

...am 16. November wurde Madeira erreicht...

...an den Kapverdischen Inseln vorbei ging es über den Atlantik...

...mit der Äquatortaufe...

...am 30. November war man in Rio de Janeiro...

...Zeppelin Hindenburg über Rio...

...am 14. Dezember war man dann in Montevideo, Uruguay. Eintrag in Notizbuch: Bei Überfahrt der „Paraguay“ schwerer Sturm, verschiedene Wagen losgerissen und zertrümmert...

...Zelt am Strand von Montevideo...

Eintrag in Notizen:  

2. April 50-jähriges Geschäftsjubiläum und Geburtstag von Lorenz Hagenbeck, die Angestellten waren eingeladen

...am 21. Februar 1937 begann die Argentinientournee in Buenos Aires ...

...Juni 1937 in Santa Fe ...

...Weitertransport ins Landesinnern ...

...aber es gab auch traurige Abschiede, Notiz: 21. Juli beim Hochstellen der Masten Absturz eines Flaschenzugs, ein Arbeiter des Zirkus wurde erschlagen...

...An einem freien Tag, Ausflug in die Kordilleren ...

...am 22. Februar 1938 endet die Argentinientournee in Buenos Aires wieder einmal mit einem Unwetter...

Mit der „Monte Sarmiento“ ging es auf den Heimweg...

...am 27. März erreicht man Lissabon, um dann am 31. März in Hamburg zu landen. Bis Juli 1938 arbeitete Hermann noch im Tierpark, um dann endgültig in seiner Heimat Erfenbach sesshaft zu werden. Abschließend noch ein paar Fotos, die nicht zuzuordnen waren, aber wert sind gezeigt zu werden...

...ein letztes Foto von dem Mann, dem wir diese wundervolle „Weltreise“ in die Vergangenheit zu verdanken haben, beim... passender geht es nicht...fotografieren...und einem Gedicht, das ich bei seinen Unterlagen gefunden habe...

nach oben

...Sturm im Golf von Biskaya ...

Schäfers Märchenstadt Liliput

Trapezkünstler unter freiem Himmel

Pferdedressur

...der Elefant muss die Karre aus dem Dreck ziehen...

...sein Leben...sein Zirkus und...

Der Abschied Hermanns aus Erfenbach war selbst dem Turnverein ein Zeitungsartikel wert, denn Hermann war ein guter Turner.

Danke, dass wir an diesem Leben teilhaben durften...

...dann ging es weiter nach Argentinien...

Hier die weiteren Fotos...